Restorative Yoga? Yin Yoga? Was ist denn jetzt der Unterschied?

Restorative Yoga und Yin Yoga sind zwei ruhige Wege auf der Matte, die oft gleichgestellt und in Yogastunden gern zusammengeworfen werden. Sowas macht mir als großer Freundin von Restorative Yoga, die sich auch mit Yin einigermaßen auskennt, natürlich Bauchgrimmen. Deshalb möchte ich hier mal die Unterschiede zwischen den beiden Methoden aufzeigen und euch Ideen liefern, wann die eine und wann die andere Variante passender sein kann.

Vorab: Beide Ansätze sind ein deutliches Kontrastprogramm zu unserem von Aktivität (also von Yang) geprägten Alltag. Bitte nicht falsch verstehen: Ohne Yang kriegten wir nichts gebacken. Aber Gleichgewicht entsteht durch den Ausgleich zwischen aktiv und passiv. Die Befürworter des Yin haben’s irgendwie gut: Das schöne Yin/Yang-Motiv kennen die meisten, aber „Restorative“ können viele nicht einmal aussprechen. (Tipp: Die Betonung liegt auf der zweiten Silbe.)

Restorative: Die Kunst des Loslassens

Beim Restorative wird das bewusste Aufgeben von Anspannung geübt. Der Körper wird so gelagert, dass er ganz ohne Muskelarbeit in einer Position bleiben kann, das Nervensystem zur Ruhe kommt und die Gedanken langsamer werden. Dabei sollen die Muskeln nicht gedehnt werden, denn das Gefühl von Dehnung würde das Signal „Herausforderung“ ans Nervensystem senden – und das soll ausgeschaltet werden. Eine Restorative-Haltung kann schon einmal 20 Minuten gehalten werden. Auf diese Weise können sich die Nerven beruhigen, und die gewöhnlich fürs Verarbeiten von Herausforderungen notwendige Energie kann genutzt werden, um akute Erschöpfung zu lindern, Schlaf zu verbessern und Schutzräume für Trauer oder Stressverarbeitung zu schaffen, weil die äußere Stütze dem Inneren erlaubt, sich zu öffnen und zu lösen.

Yin: Langsamkeit lädt ein zur Selbstbeobachtung

Yin arbeitet mit weniger Polstern und mehr mit der geduldigen Dehnung tiefer Strukturen, vor allem der Faszien. Die Haltung bleibt, der Atem führt, das Gewebe passt sich an. Im Yin-Yoga hältst du jede Position etwa drei bis fünf Minuten. (Variationen sind natürlich möglich.) Paul Grilley und Sarah Powers haben diese Richtung mit anatomischem und psychologischem Wissen geprägt: Yin verbindet somatische Präzision mit innerer Achtsamkeit und nimmt Veränderungen im Gewebe ebenso ernst wie innere Prozesse. In der Praxis heißt das: Wer bereit ist, etwas Unbehagen auszuhalten und das Körpergefühl zu erforschen, kann langfristig an Beweglichkeit und an der Fähigkeit zur Selbstbeobachtung gewinnen. Die deutsche Yin-Autorin Stefanie Arend nennt das den „süßen Schmerz“ des Yin.

Wann welche Praxis passt

Für die Psyche ist Restorative besonders wirksam, wenn du überreizt, müde oder verletzlich bist. In solchen Fällen bietet die unterstützte Haltung ein sicheres Umfeld, in dem Nervosität, Grübeln und körperliche Anspannung abnehmen können. Lehrerinnen mit psychotherapeutischer und yogatherapeutischer Erfahrung beschreiben Restorative ausdrücklich als Hilfsmittel bei Burnout, Trauer und akutem Stress. Yin kann dagegen therapeutisch besonders gut wirken, wenn es darum geht, Spannungsmuster zu entknoten: Durch die längere Verweildauer in den Haltungen kannst du körperliche und seelische Blockaden erspüren und Stück für Stück lösen. Yin eignet sich also, wenn du Veränderung, Beweglichkeit und eine schrittweise Konfrontation mit deinem inneren Widerstand suchst.

Beide Wege nähren die Psyche auf unterschiedliche Weise, und viele Lehrerinnen kombinieren Elemente beider Ansätze, je nachdem, ob vor allem Regeneration oder tiefere Wandlung gefragt ist. Warum ich mich für Restorative entschieden habe? Als Yin in Deutschland ankam, habe ich oft gesehen, wie hypermobile Yogalehrerinnen durch Yin-Yoga noch länger in Positionen bleiben konnten, die ihre Beweglichkeit noch weiter förderten. Gleichzeitig traf ich viele erschöpfte, ausgelaugte Teilnehmer. Es ist halt für die meisten von uns wirklich schwer zu entscheiden, wann ein süßer Schmerz zu einem bitteren wird, und wann eine Pause angesagt ist. Ich habe mich deshalb ganz bewusst für den extra sanften Weg entschieden: Raum, Ruhe und Weite für Kopf und Körper statt weiterer Reize. (Und warme, weiche Decken gibt es immer mit dazu.)

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