Mehr Zeit durch Yoga
Neulich unterhielt ich mich mit einer Unternehmerin, die Zwillinge im Kindergartenalter hat. Als sie erfuhr, dass ich Yoga unterrichte, meinte sie: „Das empfiehlt mir mein Mann immer!“ Ihr Tonfall klang wie: Klingt wunderbar, aber ich habe schon jetzt zu viel zu tun!
Hier die gute Nachricht aus den Yoga Sutras von Patanjali für alle, deren To-Do-Listen schon ohne Yoga zu lang sind: yogaś citta-vṛtti-nirodhaḥ - auf Deutsch: Yoga ist der Zustand, in dem der Geist zur Ruhe kommt. Der Zustand, in dem wir klar erkennen können, was uns im Leben wichtig ist und welche Aufgaben wir deshalb zuerst erledigen wollen. Welch ein Zeit- und Energiegewinn!
Um diesen Zustand zu erreichen, müssen wir für einen Moment aus dem Alltagsbetrieb zurücktreten, indem wir unser Gehirn mit etwas beschäftigen, das sich ganz anders anfühlt als unser Alltag. Wer im Alltag körperlich wenig tun muss, bewegt sich. Wer seinen Alltag als hektisch empfindet, tut etwas Langsames. Klingt gewinnend simpel, ist aber eine echte Herausforderung für Leute, die sich selbst als aktiv und produktiv kennen. Aber nur durch dieses Nicht-Alltägliche entsteht der Moment des Ausgleichs, in dem unser Geist auf andere Gedanken kommt. Auf die nicht-alltäglichen Gedanken. Auf die Gedanken, die uns zeigen, wie stark wir in unseren alltäglichen Denkschemata verhaftet sind und sie immer wieder ablaufen lassen. Das ist ein großer erster Schritt aus dem ständigen Kreislauf unseres inneren Films.
Das Gewinnende an der Sache ist: Wenn deine Gedanken nicht die ganze Zeit um deinen Alltag kreisen, hast du viel Energie übrig. Die kannst du dann in all die Projekte stecken, zu denen du sonst nicht kommst.
Weil jeder von uns eine andere Art von Ausgleich zum Alltagstrott braucht, steht nirgendwo in den klassischen Texten des Yoga, dass wir uns dafür auf rutschfesten Matten verrenken müssen. Für viele von uns ist das sinnvoll, weil wir unsere Körper oft nur dafür benutzen, um unsere Köpfe durch die Gegend zu transportieren. Da ist langsame, aufmerksame Bewegung eine großartige Methode, um uns selbst wieder zu spüren. Aber manchmal dürfen wir uns auch auf weiche Kissen betten und die Beine hochlegen. Oder über philosophische Texte grübeln. Oder den Sonnenuntergang betrachten. Oder Unkraut jäten.
Yoga ist keine zusätzliche Aufgabe, die Zeit in deinem Kalender beansprucht. Yoga ist eine Lebenseinstellung, die es dir ermöglicht, deinen Kalender so zu sortieren, dass er für dich arbeitet - statt umgekehrt. Jai!
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